Rotes Gedenktheater – Das Hanau-Gedenken 2023 in Leipzig

Am 19. Februar 2023 fanden sich in Leipzig einige hundert Menschen bei einer Gedenkkundgebung zusammen, um der Opfer des Terroranschlags von Hanau vor drei Jahren zu gedenken. Organisiert wurde die Veranstaltung vor allem durch ein Konglomerat an sogenannten Roten Gruppen: die Internationale Jugend, Frauenkollektiv, Solidaritätsnetzwerk als FKO, Zora und Young Struggle. Ebenso rief die feministische Gruppe Abya Yala Libre zu der Kundgebung auf.

Was wir auf der Gedenkkundgebung erlebt haben, hat uns erschrocken und wütend gemacht, weshalb wir im Nachgang mit diesem Text nicht nur Kritik an antiimperialistisch, autoritär-kommunistischen Strömungen in Leipzig und ihrem Hanau-Gedenktheater üben, sondern auch einen Beitrag zur Debatte um linksradikales Gedenken allgemein formulieren wollen.

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25.02.2023 – FEMI(NI)ZIDE STOPPEN – In Gedenken an Nadera

Am 25.02.2023 fand in Zwickau eine Kundgebung in Gedenken an die Anfang Februar von ihrem Ehemann ermordete, 33-jährige Nadera statt. Wir hielten einen Redebeitrag zu den Hintergründen männlicher Überlegenheitsphantasien und männlicher Gewalt gegen Frauen. Nachfolgend dokumentieren wir unseren Redebeitrag.

Redebeitrag von Kappa – Kommunistische Gruppe Leipzig

Wir stehen heute hier zusammen, weil wieder eine Frau von ihrem Ehemann ermordet wurde. Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts nennen wir Femizid. Diese sind patriarchale Normalität. Jeden Tag versucht ein Mann in Deutschland eine Frau zu töten, jeden zweiten bis dritten Tag gelingt es. Es ist kein unglücklicher Einzellfall und kein vermeintliches Beziehungs- oder Eifersuchtsdrama, wie Femizide sexistischer Weise leider viel zu oft verharmlost werden. Um Femizide zu verstehen, müssen wir uns anschauen, aus welchem Grund Männer Frauen töten.

Von klein auf wird Jungen in dieser Gesellschaft vermittelt, dass sie Frauen nicht nur überlegen sind und das auch zu sein haben, sondern auch, dass es Teil der weiblichen Geschlechterrolle ist, ihnen zur Verfügung zu stehen. Also, dass Frauen sich kümmern und sie umsorgen. In der Folge verinnerlichen Jungen und Männer eine Dominanz- und Anspruchshaltung gegenüber Frauen und machen sie verantwortlich für die Befriedigung ihrer Bedürfnisse – und nur dafür. Männlichkeit in modernen patriarchalen Kulturen bedeutet kurzum, sich prinzipiell als das überlegene Geschlecht zu definieren.

Ebenso mit Männlichkeit fest verbunden, ist das Ideal männlicher Autonomie, also Unabhängigkeit.
Durch die Selbstbestimmung der Frau, insbesondere im Bereich der Sexualität, wird dieser männliche Autonomieanspruch angezweifelt. So wird dem Mann durch seine eigene Sexualität seine eben doch vorhandene Abhängigkeit von der Frau vor Augen geführt. Da er jedoch gelernt hat, Frauen gegenüber überlegen und grundlegend unabhängig zu sein und diesem Anspruch nun nicht gerecht wird, verspürt er in der Folge eigentlich eine Verachtung für sich selbst, die er aber schließlich auf die Frau überträgt.

Die weibliche Sexualität stellt für Männer eine Bedrohung dar, da diese ihnen nicht beliebig zur Verfügung steht, sondern Frauen selbstbestimmt darüber entscheiden können. Männer wollen unabhängig sein und haben verinnerlicht, über Frauen verfügen zu können und zu dürfen. Frauen müssen aber ihren vermeintlichen Rollenerwartungen nicht nachkommen, können also ihre Zuneigung verwehren.
Diese Ablehnung, also die Kränkung des Männlichen Überlegenheits- und Dominanzsanspruchs, ist einer der relevantesten Ursprünge von sexueller aber auch nicht-sexueller männlicher Gewalt. Sie dient als Mittel, die beschädigte Männlichkeit wiederherzustellen. Aggressives und gewalttätiges Verhalten von Männern ist unmittelbar im Zusammenhang zur männlichen Sozialisation und der in
diesem Zuge verinnerlichten Entwertung des Weiblichen zu betrachten.

Männer in dieser Gesellschaft müssen dem Druck standhalten, sich nicht nur von allem Weiblichen abzuspalten, sich als das überlegene Geschlecht zu setzen, sondern im Zweifel diese Überlegenheit durch Gewalt an Frauen auch unter Beweis zu stellen. Und die letzte und mörderischste Konsequenz suchen Männer in der absoluten Negation weiblicher Selbstbestimmung, also deren Auslöschung im Femizid.
Denn Männer töten meist dann, wenn Frauen ihren vermeintlichen Pflichten ihnen gegenüber nicht nachkommen und die an sie gestellten weiblichen Rollenerwartungen nicht erfüllen. Es ist also auch kein Zufall, dass Frauen insbesondere von ihren (Ex-)Partnern getötet werden.

Wenn wir diese gesellschaftlichen Verhältnisse und ihre Männlichkeit nicht überwinden, also Femiziden nicht ihre gesellschaftliche Grundlagen entziehen, endet auch der mörderische Hass auf Weiblichkeit nicht, sondern produziert weiter alltägliche Gewalt.

Gegen diese Gesellschaft und ihre Männlichkeit! Sexismus tötet! Alerta Feminista!

Femizide stoppen! Anreise zur Kundgebung nach Zwickau

Wir rufen dazu auf am Samstag, 25.02 nach Zwickau zu der Gedenkkundgebung anlässlich des Femizids an der 33-jährigen Nadera zu fahren.

Wir empfinden Wut, Angst und Trauer angesichts eines weiteren verlorenen Lebens. Und dennoch wollen wir uns stark zeigen, um voneinander Hoffnung und Mut zu schöpfen. Daher rufen wir euch auf, am Samstag zusammen zu kommen, um eure Stimmen zu erheben und gemeinsam gegen die mörderische Konsequenz patriarchaler Gewalt zu kämpfen. Lasst uns solidarisch und vereint an der Seite unserer Schwestern, Freund*innen und Bekannten stehen. Keine Frau und kein Leben sind vergessen.

Da leider aufgrund von Schienenersatzverkehr die Anreise mit dem Zug kompliziert und langwierig ist, haben wir uns für eine Autoanreise entschieden. Hierfür treffen wir uns um 12 Uhr auf dem Parkplatz des Conne Island. Wenn du also über ein Auto verfügst, bring es gerne mit, sodass alle mitkommen können. Heißt, auch wenn ihr kein Auto habt aber mitkommen möchtet, kommt zum o.g. Treffpunkt und wir verteilen uns auf die freien Plätze.

Bis Samstag! Nehmen sie uns eine, antworten wir alle! Alerta Feminista!

Aktuelle Infos:
Twitter: @KappaLeipzig
Instagram: keinemehrleipzig

Kundgebung – Die Preise müssen runter!

‚Preise runter! Leipzig‘ veranstaltet am 28.01. um 14 Uhr eine erste Kundgebung gegen die Preiserhöhungen als Folge kapitalistischer Krisen vor Kaufland in der Dresdner Str. „Wir können es uns nicht leisten die Lage einfach aus zu sitzen, in der falschen Hoffnung, dass sich die Kosten zum Leben irgendwann wieder einpendeln werden oder dass sich der Staat darum kümmern wird. Wir wollen die Friedhofsruhe, die über die soziale Misere liegt, brechen. Deswegen organisieren wir Ende Januar eine erste Kundgebung im Leipziger Osten!“

Beteiligt euch an der Kundgebung, kommt zu den offenen Treffen und organisiert euch gegen erhöhte Mieten, Gas- und Stromrechnungen! Streiken – Enteignen – Vergesellschaften!

Aufruf für den 15.10: STREIKEN, ENTEIGNEN, VERGESELLSCHAFTEN

Wir, das ist ein Zusammenschluss verschiedener linksradikaler und antiautoritärer kommunistischer Gruppen und Einzelpersonen aus Leipzig, rufen zur Demonstration am 15. Oktober 2022 des Aktionsbündnisses Jetzt Reicht’s auf. Doch wir wollen mehr als nur eine einmalige Großdemo. Wir wollen eine wirkliche Veränderung der Verhältnisse. Wir wollen auf die Straße gehen, um nicht nur gegen die steigenden Preise für Lebensmittel und Energie zu demonstrieren, sondern uns auch gegen den gesellschaftlichen und politischen Umgang mit den Teuerungen zusammenzuschließen.

(Wir unterstützen den Aufruf des Aktionsbündnisses Jetzt Reicht’s, aber finden, dass dieser nicht weit genug greift.)

Ob Du den ganzen Tag arbeitest oder nicht, zur Schule gehst, studierst, oder in Rente bist – die massiv gestiegenen Preise für Lebenshaltungskosten treffen uns alle immens. Die Teuerungen machen einen kleinen, reichen Teil der Gesellschaft weit entfernt jeglicher Existenzbedrohung noch wohlhabender. Ein großer Teil der Menschen verzweifelt an den anstehenden Miet- und Nebenkostenerhöhungen. Immer mehr Menschen werden durch sie (weiter) verarmen.

Während die Regierung Maßnahmen beschließt, wie z. B. die Energiekostenpauschale, das 9€-Ticket oder den Tankrabatt, die nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind, appellieren sie gleichzeitig an Dich, sparsamer zu sein und auf Lebensmittel, ein warmes Zimmer und Urlaub zu verzichten. Die Entlastungspakete sind aber keine langfristige Entlastung und weder Dein persönlicher Verzicht noch einzelne Maßnahmen werden diese Krise lösen. Von 300€ kann niemand die gestiegenen Preise für Energie und Lebensmittel auf Dauer bezahlen. Sie können zwar eine kurzzeitige Verbesserung bedeuten, lösen aber das eigentliche, gesellschaftliche Problem nicht: Kapitalismus.

Für die gestiegenen Preise ist weder die Corona-Pandemie noch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine allein verantwortlich. Die Teuerungen und die Verarmung sind die Konsequenz kapitalistischer Wirtschaftung. Denn die kapitalistische Wirtschaftsweise bedeutet, dass einige wenige die Eigentümer von Produktionsmitteln – Fabriken und Technologien – sind. Die Unternehmen stellen uns Lohnabhängige ein. Wir arbeiten für sie, aber über das, was wir gemeinsam produzieren, können wir nicht demokratisch entscheiden: Weder können wir als Lohnabhängige entscheiden, was hergestellt wird, noch, was mit den Gewinnen passieren soll – denn diese gehören den Unternehmern. Sie machen die Preise und ihr Interesse ist es, ihren Gewinn zu steigern. Das ist aber nicht unser Interesse! Denn das bedeutet Rücksichtslosigkeit und Krisen: Die Umwelt wird kaputt gemacht, die Einzelnen leiden an Gesundheitsproblemen, Überarbeitung und Zeitmangel. Und kommt es dann zum Krieg, sollen wir sparen, damit Unternehmen weiter Gewinne machen. Dass das so ist, ist keine Verschwörung von einzelnen Mächtigen, sondern ist die Logik des Kapitalismus‘ selbst – es hilft nicht, sich Sündenböcke zu suchen.

Wenn wir ein für alle Mal ein Ende von Krieg und Ausbeutung wollen, dann reichen Entlastungspakete, Energiekostenpauschale, Übergewinnsteuer oder Inflationsausgleichgesetz nicht. Krisenzeiten bedeuten für Unternehmen eine Möglichkeit, ihre Gewinne zu steigern. Deshalb finden wir Maßnahmen, die eine Umverteilung der Gewinne anstreben, sinnvoll. Langfristig müssen wir aber das Wirtschaftssystem selbst verändern: Wir wollen gemeinsam produzieren und solidarisch mit allen Menschen und der Umwelt demokratisch entscheiden, was wir wie produzieren und verteilen. Erst letztes Jahr hat der Volksentscheid in Berlin zur Enteignung von Immobilienkonzernen gezeigt, dass mehr als die Hälfte der Berlinerinnen und Berliner Wohnraum vergesellschaften will. Doch der Berliner Senat setzt alles daran, die Umsetzung dieser demokratischen Entscheidung zu verhindern. Wir haben also nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine politische Krise.

Die Situation wird nicht besser werden, wenn wir uns nicht selbst darum kümmern. Wir müssen uns organisieren – am Arbeitsplatz, in der Erwerbsloseninitiative oder im Stadtteil, um der Ursache der Krise – dem Kapitalismus – ein Ende zu bereiten.

Für eine freie Gesellschaft, die nach unseren Bedürfnissen gestaltet ist!

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Gründungserklärung

Unter der herrschenden Ordnung treibt die Gesellschaft von einer Krise in die nächste. Die kapitalistische Misere stellt sich in der Gegenwart als Anhäufung massiven Elends, Gewalt und humanitärer Katastrophen dar.
Wir sind ein Zusammenschluss von Personen aus Leipzig, die die radikale Kritik an diesen gesellschaftlichen Zuständen – auch praktisch – organisieren möchten.

Die Konsequenz für die Corona-, Klima- und sonstigen Krisen der vergangenen Jahre tragen immer wieder die Selben. Staat und Kapital ziehen sich aus der Affäre, indem sie die Verantwortung dem Individuum zuschieben. Der Tenor: verhielte sich dieses anders, so wäre die Krise irgendwie aufzuhalten. Doch Krisen liegen nicht im (vermeintlich) falschen Verhalten Einzelner begründet, sondern haben ihre Ursprünge in einer patriarchal-kapitalistisch organisierten Gesellschaft. Ihre Widersprüche münden in katastrophaler Weise in einer Vielfalt von Krisen, die innerhalb der Verhältnisse nicht gelöst werden können. Da die ganze Misere das Produkt gesellschaftlicher Verhältnisse und folglich menschengemacht ist, ist sie veränderbar.

Wir wollen und müssen den Kapitalismus und das Patriarchat überwinden – für eine Gesellschaft, in der niemand mit der Angst vor Armut, Hunger, Wohnungslosigkeit oder anderer Gewalt leben muss und die unsere Bedürfnisse zum Ausgangspunkt von Produktion und Reproduktion hat.

Unserer Meinung nach werden in der gesamten Gesellschaft, auch innerhalb der Linken, keine hinreichenden Antworten auf gesellschaftliche Krisen formuliert. Aus dem Gefühl von Ohnmacht und Verzweiflung wächst der Wunsch nach einfachen Lösungen. Davon profitieren rechte Strukturen, während linke Bewegungen immer weiter an gesellschaftlicher Relevanz verlieren. Emanzipatorische Gruppen zerfallen und autoritäre Gruppen finden innerhalb der radikalen Linken mit einfachen Welterklärungsmustern immer mehr Zuspruch.

Wir müssen uns das Bewusstsein über die Notwendigkeit und theoretische Möglichkeit einer rational und menschlich eingerichteten Gesellschaft bewahren, um so der falschen Wahl zwischen reformistischer Verzichtslogik und autoritärer Krisenlösung etwas entgegenzusetzen.
Dafür ist es notwendig, Möglichkeiten und Strategien des Aufbaus einer emanzipatorischen Bewegung zu entwickeln. Dafür suchen wir die Vernetzung mit anderen Gruppen. Unser Ziel ist es letztendlich, den defensiven Zustand zu überwinden und uns damit selbst überflüssig zu machen. Es geht perspektivisch um die Überwindung unserer marginalisierten Position hin zu einer “wirklichen Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.” (Marx)

 

Kappa Leipzig, Mai 2022