Redebeiträge

    • 08.03.2025 / Leipzig / Emanzipatorischer 8. März – Die Scham muss die Seiten wechseln

      „Weiß, normal, hetero“ skandierten Rechte, die letztes Jahr im Spätsommer sämtliche ostdeutsche CSDs und ihre Teilnehmer*innen bedrohten und angriffen. Hier zeigte sich eine zunehmende Gewaltbereitschaft, aber auch, dass Rechte wenig befürchten müssen, wenn sie ihren offenen Hass auf Queers in die Öffentlichkeit tragen. Und auch in vielen anderen Regionen der Welt nehmen Angriffe auf queere Menschen deutlich zu. Ein weiteres besorgniserregendes Phänomen ist der Anstieg von Transfemiziden, insbesondere in Brasilien, Mexiko und den USA. Trans Frauen gehören zu den am stärksten gefährdeten Gruppen in der Community. Auch in Syrien war die Lage für LGBTQIA unter Assad bereits schlimm, unter der neuen islamistischen Regierung hat sich die Bedrohungslage verstärkt und es ist nun an der Tagesordnung, dass Sicherheitskräfte queere, v.a. trans Personen angreifen und verhaften.

      Neben körperlichen Angriffen wird jedoch auch zunehmend auf rechtlicher Ebene die Selbstbestimmung und Sichtbarkeit eingeschränkt. In vielen Ländern, beispielsweise Ungarn und Polen, sind queerfeindliche Gesetze verabschiedet worden. Von Verboten der Gleichstellung homosexueller Paare, hin zu Gesetzen, die die Darstellung geschlechtlicher und sexueller Vielfalt in den Medien verbieten.

      In den USA erließ Donald Trump bereits am Tag seiner Amtseinführung die ersten Dekrete, die das binäre Geschlechtersystem festschreiben und trans Personen exkludieren. Trans und nicht-binäre Personen erhalten nun neue Pässe, in denen das Geschlecht eingetragen ist, das ihnen bei Geburt zugewiesen wurde. Im TV-Duell äußerte Friedrich Merz Sympathie für diese Regelung. Die Einreise von genderqueeren Personen in die USA ist nun auch kaum noch möglich, da Pässe mit einem nicht-binären oder ohne Geschlechtseintrag nicht anerkannt werden. Durch ein weiteres Dekret von Trump wurden trans Frauen aus dem Frauensport ausgeschlossen und können nicht mehr an Wettkämpfen teilnehmen. Büros für Diversität und Inklusion werden geschlossen, Websites zu entsprechenden Programmen abgeschalten. Es ist zu befürchten, dass sich in den nächsten Jahren seiner Amtszeit die Lage weiterhin dramatisch verschlechtern wird.

      Auch in Deutschland ist Queer- und insbesondere Transfeindlichkeit ein zentrales Mobilisierungsthema rechter und konservativer Parteien. Merz, der für die Straflosigkeit der Vergewaltigung in der Ehe gestimmt und Homosexualität mit Pädophilie verglichen hat, soll nun neuer Bundeskanzler werden. 14 Millionen Menschen haben bei der Bundestagswahl für die Union gestimmt. Diese will das neue Selbstbestimmungsgesetz wieder abschaffen, das – auch wenn es noch große Leerstellen wie die fehlende Anwendbarkeit für geflüchtete und staatenlose Personen und Hürden für Minderjährige – aufweist, eine riesengroße Verbesserung im Vergleich zum vorher geltenden Transsexuellengesetz (TSG) ist.

      Oft erscheint Recht in unserem Alltags als etwas Abstraktes. Doch es kann Menschen ein selbstbestimmteres Leben ermöglichen. Es schafft Zugänge, ermöglicht Teilhabe, bietet Absicherung. Gleichzeitig kann es das Gegenteil bewirken – Ungleichheiten zementieren, Ausschlüsse festschreiben und Schutz verweigern.

      Alle rechtlichen Errungenschaften, die es in Deutschland gibt, wurden hart erkämpft. Ob das Verbot von Operationen an intergeschlechtlichen Kindern, die Abschaffung des TSG oder die Konversionstherapien an Minderjährigen, die erst 2020 verboten wurden.
      Doch wie zum Beispiel die Entwicklungen in den USA zeigen, sind solche Errungenschaften nicht selbstverständlich. Sie können jederzeit zurückgenommen werden, insbesondere wenn konservative und rechte Parteien an die Macht kommen.
      Wir wissen, dass man sich im Kampf um Befreiung auf den Staat nicht verlassen kann. Unser Ziel ist eine befreite Gesellschaft ohne staatliche Kontrolle und repressive Gesetze, in der solidarische Beziehungen und gegenseitige Fürsorge unseren Alltag bestimmen. Doch bis dahin kämpfen wir für jede rechtliche Verbesserung – weil sie reale Konsequenzen für unser Leben hat. Weil sie Schutz bedeuten und Leben retten kann.

      Das deutsche Familien- und Abstammungsrecht ist nach wie vor stark diskriminierend, insbesondere queere Familien sehen sich immer noch mit erheblichen rechtlichen Hürden konfrontiert.

      Ein Beispiel dafür ist die Situation von lesbischen Paaren mit Kindern. Während ein heterosexuelles Ehepaar automatisch als rechtliche Eltern anerkannt wird, muss die nicht gebärende Mutter erst ein aufwendiges und langwieriges Stiefkindadoptionsverfahren durchlaufen. Dies bedeutet nicht nur bürokratische Belastungen, sondern auch teils mehrjährige Phasen der Unsicherheit, in denen die zweite Mutter keinerlei rechtlichen Schutz hat und das Kind bei Tod der gebärenden Mutter sogar als Waise behandelt werden würde.

      Auch trans Männer, die ein Kind gebären, werden nach wie vor zwangsweise als „Mutter“ in der Geburtsurkunde eingetragen – unabhängig von ihrem rechtlichen Geschlechtseintrag. Dies ist nicht nur ein gravierender Eingriff in ihre geschlechtliche Selbstbestimmung, sondern führt auch zu unnötigen bürokratischen und emotionalen Belastungen für die jeweiligen Familien.

      Diese Beispiele zeigen, dass das deutsche Abstammungsrecht dringend reformiert werden muss. Lösungen wie eine automatische Elternschaftsanerkennung für beide Mütter oder die Möglichkeit, trans Eltern entsprechend ihrer Geschlechtsidentität in Geburtsurkunden zu vermerken, wären längst überfällige Schritte.

      Besonders deutlich zeigt sich die strukturelle Gewalt gegen trans und nichtbinäre Menschen in der BRD im Knastsystem. Justizvollzugsanstalten sind nicht verpflichtet, den Ergänzungsausweis oder Änderungseinträge nach dem SBGG anzuerkennen – Personen werden oft weiterhin nach ihrem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht untergebracht, was sie massiven Gefahren aussetzt. Hinzu kommt die katastrophale Gesundheitsversorgung in Haft, auf Bedürfnisse von trans Personen angepasste Versorgung existiert dort erst gar nicht. Doch auch außerhalb der Gefängnisse ist die medizinische Versorgung für trans Personen prekär. Besonders im ländlichen Raum gibt es kaum queersensible Ärzt*innen, die trans Menschen kompetent behandeln.

      Während Maja nach Ungarn abgeschoben wurde und dort unter unerträglichen Bedingungen in Haft sitzt, dürfen wir nicht vergessen: Auch in Deutschland ist das System tödlich. Wir kämpfen für ein Gesundheitssystem, das alle Menschen bedingungslos versorgt – unabhängig von Geschlecht, Identität oder Aufenthaltsstatus!

      Die patriarchalen Strukturen sind dieser Gesellschaft tief eingeschrieben. Das hierarchische und binäre Geschlechterverhältnis wird, auch auf rechtlicher Ebene, gewaltvoll durchgesetzt und stabilisiert. Gleichzeitig wird es als Legitimation genutzt, um den schlechten Status Quo aufrecht zu erhalten. Werden etwa queere Familien nicht als vollwertige Familien begriffen, erscheinen diskriminierende Sonderregelungen wie im Abstammungsrecht auch als gerechtfertigt. Wir sehen eine zunehmende Entwicklung der Entrechtung, Kontrolle und Marginalisierung von queeren Personen, befeuert durch rechte Akteur*innen. Angesichts vieler globaler Krisen, sind die vereinfachenden Antworten von Rechten und Konservativen besonders attraktiv und das Festhalten an der vermeintlich schon immer so gewesenen Ordnung beruhigend.

      Deshalb sollten wir uns zwar einzelne repressive Gesetze genau anschauen, unsere Kämpfe aber auch auf das größere Ganze beziehen – der Kampf um ein selbstbestimmtes Leben muss immer zugleich ein Kampf gegen Staat, Nation und Kapital sein. Denn Kapitalismus und Patriarchat stützen sich gegenseitig und zementieren damit das enge Korsett, in dem wir uns tagtäglich bewegen. Wir werden kaum das eine ohne das andere loswerden können. Wir kämpfen also nicht nur für eine sexuelle und geschlechtliche Befreiung, sondern für eine befreite Gesellschaft.

      Für eine Welt, in der wir lieben, leben und existieren können, ohne Angst.

      Dafür brauchen wir keine selektive Solidarität, sondern einen universellen Feminismus, der nicht vor Komplexität zurückschreckt.

      Eine andere Welt ist nicht nur möglich, sie ist notwendig.

      Queers unite – together we fight!

  • 08.03.2024 / Leipzig / Für einen emanzipatorischen 8. März

    Zum 8. März 2024 haben wir uns mit vielen verschiedenen linken Gruppen Leipzigs zusammengeschlossen und eine Kundgebung organisiert, weil wir den 8. März zurückwollen. Einen 8. März mit vielfältigen, emanzipatorischen, konkreten, utopischen, kämpferischen, feministischen Forderungen. Hier unser Redebeitrag auf dieser Kundgebung.

Liebe Freund*innen und Genoss*innen,

schön, dass ihr heute alle hergekommen seid.
Jedes Jahr aufs neue gehen wir am 8. März auf die Straße. Und auch im nächsten Jahr werden wir wieder hier stehen, um gegen den alltäglichen patriarchalen Ist-Zustand zu demonstrieren – bis die Scheisse irgendwann ein Ende hat.

Wir stehen hier zusammen, um der geschlechtsbezogenen Diskriminierung und der kaptialistischen Ausbeutung von Lebensweisen eine solidarische Antwort entgegen zu halten.
Denn Patriarchat und Kapitalismus stützen in ihrer engen Verschränkung die Grundstruktur unserer Gesellschaft.
Das Patriarchat baut auf der ökonomischen Ausbeutung von Frauen auf, wozu ein gewaltsames Festhalten an der Zweigeschlechtlichkeit nötig ist und was einhergeht mit der Abwertung von trans- und intergeschlechtlichen, sowie nonbinären Menschen.
Die kapitalistische Gesellschaft ist angewiesen auf unentlohnte Sorgearbeit, sowie prekarisierte (Reproduktions)tätigkeiten der Pflege und Erziehung, welche die Arbeitskraft wiederherstellen. Solche Tätigkeiten lassen sich nur eingeschränkt warenförmig organisieren, sodass sie entwertet in den privaten Bereich gedrängt oder nur schlecht entlohnt werden und zudem weniger Anerkennung erfahren. Es handelt sich um die gesellschaftlichen Felder, auf die hauptsächlich Frauen verwiesen werden.
Um diese Zuweisung aufrechtzuerhalten, wird der weibliche Körper permanent dem kapitalistischen Zugriff ausgesetzt. In jeglichen Bereichen, sei es die Reproduktion, Schwangerschaft und Abtreibung, Prostitution oder Schönheitsnormen, wird der Körper von Frauen entfremdet und zu einem politischen Handlungsfeld.
Diesem strukturell abgesicherten Machtverhältnis unterliegt das patriarchale Prinzip der Abwertung und Unterordnung von allem nicht-männlichen.
Dies geht damit einher, dass Männer unter dem Druck stehen, dem gesellschaftlich vermittelten, sowie auch selbst verinnerlichten, männlichen Überlegenheits- und Dominanzanspruch gegenüber Frauen zu entsprechen. Die Abgrenzung und Abwertung von Weiblichkeit und allem, das von der männlichen Norm abweicht, ist in das Konstrukt Männlichkeit zwangsläufig eingelassen.
Die Zurichtung der eigenen (Geschlechts-)Identität muss abgesichert werden. Sieht sich die eigene machtvolle, überlegene Position bedroht, kann sich die Abwehr auch in geschlechtsspezifischer Gewalt entladen. Hiervon sind nicht nur cis und trans* Frauen, sondern auch trans* Männer, intergeschlechtliche und nonbinäre sowie queere Personen betroffen. Neben häuslicher Gewalt sind sie in besonderem Ausmaß von offenen Anfeindungen auf der Straße und Angriffen auf ihre Lebensentwürfe und Existenz betroffen. Dabei findet die Gewalt nicht nur auf interpersoneller, sondern auch auf struktureller Ebene statt, festgeschrieben etwa im Transsexuellengesetz und leider immer noch im unzureichend reformierten Selbstbestimmungsgesetz.

Die verschiedenen Formen der geschlechtsspezifischen Unterdrückung, sei es psychische Gewalt, soziale Isolation, juristische Abwertung, oder körperliche Angriffe, sie alle stehen in Zusammenhang mit ökonomischen Abhängigkeits-, und Machtverhältnissen.
– Wenn Frauen gewaltsame Beziehungen aufgrund drohender Armut nicht verlassen können
– Wenn Frauen mit mehrjährigen und konstenintensiven Verfahren konfrontiert sind, bis sie Schutz vor Gewalt und Stalking erhalten
– Wenn 43 % der Alleinerziehenden Frauen in Armut leben
– wenn Altersarmut wesentlich häufiger Frauen betrifft
– wenn der Zugang zu Verhütungsmitteln und Schwangerschaftsabbrüchen an finanzielle Mittel gebunden ist
– wenn trans* Personen tausende Euro für erniedrigende Gutachten zahlen müssen, die ihre Identität bestätigen sollen
– Wenn schutzsuchende Frauen vollen Frauenhäusern oder dem eskalierten Wohnungsmarkt
gegenüberstehen
– Wenn geflüchtete Frauen durch vorgetäuschte Hilfsangebote in die Prostitution und den
Menschenhandel gezwungen werden
– wenn sich Berichte von etlichen migrantischen und geflüchteten Alleinerziehenden häufen, deren Kinder unter abwegigen Gründen in Obhut genommen wurden
– wenn Frauen und Queers gewaltsame Partnerschaften aufgrund ihres unsicheren Aufenthaltsstatus nicht verlassen können
– wenn Abschiebungen aus Frauenhäusern stattfinden
→ist dies ökonomische und geschlechtsbasierte Gewalt vonseiten des Staates.
Für die Betroffene kann sie (auch) tödlich enden.

Diese alltägliche Gewalt wird sich mit den kommenden Wahlergebnissen weiter verschärfen.
Grundlage dafür ist die wachsende gesellschaftliche Zustimmung für faschistische Hetze und Ideologie.
In krisenhaften Zeiten, in denen sich die Lebensbedingungen einer Vielzahl an Menschen weiter prekarisieren, antworten die regierenden Parteien darauf, indem sie den faschistischen Zielen von AFD und neonazistischen Akteuren den realpolitischen Weg bereiten.
Durch die Einführung der menschenunwürdigen Eu-Asylrechtsreform, der Forderung nach massenhaften Abschiebungen und der Erweiterung von Polizeigesetzen, bestätigen die regierenden Parteien das konstruierte Feindbild, welches gesellschaftlich für die Misere ausgemacht wird.
Während der rechte Terror von Hanau, Halle oder Kassel ohne Konsequenzen für rechte Netzwerke bleibt, werden antifaschistische Linke kriminalisiert und mit Repression bekämpft.
Auch wenn die Ampel-Parteien mit ihrer Beteiligung an den „Demokratie-Demos“ der letzten Wochen ein Zeichen der Empörung setzten, ist klar: Sie stehen selbst für eine Politik, die mit Prekarisierung und Armut den Nährboden für faschistische Ideologien begünstigt.
Ideologische Elemente faschistischer Weltanschauung wie Nationalismus, Sozialdarwinismus, Autoritatirmus und Rassismus werden längst nicht nur von der AfD bedient, wie ein Blick auf Lindners Rede im Zuge der Bauernproteste verdeutlicht,sowie die Einführung der Bezahlkarte oder verschärfte Bürgergeldsanktionen, welche Menschen bis zu 2 Monate hungern lassen.
Es zeigt sich, dass das Privateigentum und die Freiheit von Einzelnen mit autoritären Mitteln gegen emanzipatorische Bestrebungen für eine feministische und antifaschistische Gesellschaft verteidigt wird.

Für uns ist klar: im Kampf für eine emanzipatorische Gesellschaft können wir uns auf den Staat nicht verlassen. Patriarchat und Kapitalismus gehen Hand in Hand und erschweren uns das gute Leben tagtäglich. Deshalb dürfen feministische Auseinandersetzungen die ökonomische Ebene nicht außer Acht lassen.

Es braucht einen gemeinsamen Kampf gegen diese Gesellschaft und ihre Männlichkeiten, ihre menschenverachtenden Ideologien, die immer weiter gefestigt werden. Einen solidarischen Kampf für alle von Gefängnis und Abschiebung bedrohten Menschen. Einen Kampf für Selbstbestimmung über Körper und Lebensweise.

Dabei sollten wir uns von der Beschissenheit der Verhältnisse nicht demotivieren lassen, sondern uns vor Augen halten, wie schön es sein könnte, wenn wir mit unseren Kämpfen erfolgreich sind.

  • 08.10.2023 / Leipzig / Solidarität mit Israel

    Nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 07.10.2023 haben sich linke Gruppen aus Leipzig mit der antisemitischen Mörderbande solidarisiert. Darum geht es in diesem Redebeitrag.

Liebe Freund*innen Israels,

im Anbetracht des barbarischen Überraschungsangriffes der Hamas auf Israels Zivilbevölkerung, bleiben auch wir mit Gefühlen der Betroffenheit und Ohnmacht zurück. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Familien, unsere Solidarität gilt den Menschen in Israel!

In unserem Beitrag möchten wir den Fokus jedoch auf Leipziger Zustande der radikalen Linken richten. Seit mehreren Jahren gewinnen autoritäre rote Gruppen und ihre Vorfeldorganisationen an Einfluss. Sie locken mit einfachen Welterklärungen, nutzen gezielt offene linke Strukturen, um Mehrheitsverhältnisse zugunsten ihrer Agenda zu verändern – die Kritischen Einführungswochen sind dafür ein bitteres Beispiel – und suchen in unumstrittenen Politikfeldern strategische Bündnisse mit emanzipatorischen Gruppen.

Die Reaktion einiger dieser problematischen Organisationen auf den mörderischen Angriff der radikalislamischen Hamas, sollte all jenen Teilen der Linken eine Warnung sein, denen der Begriff Emanzipation etwas bedeutet.
Young Struggle und Zora, die beide der stalinistischen türkischen MLKP nahestehen, teilten auf Insta einen Beitrag, der Israel als Apartheidstaat denunziert und die Angriffe als „Widerstand und nationale Befreiung gegen koloniale Unterdrückung“ und als „legitimen Widerstand“ bezeichnet.

Während wahllos schlimmste Verbrechen an Kindern, Alten, Männern und Frauen begangen werden, erscheinen ihnen diese Taten noch als Akt des heroischen Widerstandes. Dieser Wahnsinn muss als solcher benannt werden.

Ein Wahnsinn, der auch darin aufscheint, sich mit Islamisten zu solidarisieren, deren Vorstellung von Gesellschaft nicht weiter von der einer befreiten entfernt sein könnte. Der sich zeigt, wenn Zora die strategische misogyne Gewalt von Islamisten unter den Teppich des nationalen Befreiungskampfes kehrt. Ein Feminismus, der Jüd*innen nicht mit meint, der ist keiner. Wie so oft wirkt der Hass auf Israel als verbindendes Element der alle Widersprüche zum Verschwinden bringt.

Die Jugendkommune, das Solinetz Leipzig, sowie Zora teilten auf Insta einen Beitrag der orthodox kommunistischen Onlinezeitung „Perspektive”, die den Angriff als ganz normale militärische Operation einer Kriegspartei verharmlost und die die überrannten südlichen Gemeinden verbal als „Siedlungen“ zum Abschuss freigibt. Es seien nur israelische Soldaten angegriffen worden und hier und da sogar Waffen erbeutet.

Jeder Hinweis auf die Realität muss sich für diese Ideologen wie eine Existenzbedrohung anfühlen.
Die eigentliche Existenz aber, die bedroht ist, ist die von Jüdinnen und Juden.

Auch von ebenjenen Gruppen, die hier erwähnt wurden und die sich verantwortlich zeichnen für all die „Yallah Intifada“ und „from the river to the sea“ Parolen während Klimaprotesten und dem unwürdigen Hanau Gedenken in diesem Jahr. Was diese Parolen meinen, ist das, was gerade in Israel passiert.

Wir rufen dazu auf, diesem Treiben nicht weiter unwidersprochen zuzuschauen. Gegen jeden Antisemitismus! Gegen linken Antisemitismus. Solidarität mit Israel!

  • 14.05.2023 / Leipzig / Reclaim Antifa. Emanzipatorisch statt antisemitisch.

    Der Jahrestag der israelischen Staatsgründung wird von antisemitischen, auch linken, Gruppen regelmäßig genutzt, um Demonstrationen gegen das Existenzrecht Israels zu organisieren. Dieses Jahr haben wir im Reclaim Antifa Bündnis gemeinsam mit Jugend gegen Rechts, Fantifa und Utopie+PRrxis den Spieß umgedreht und eine Demonstration gegen den Antisemitismus der Linken, insbesondere der Roten autoritären Gruppen, organisiert.

BAnner Reclaim Antifa - Emanzipatorisch statt Antisemitisch

Das Projekt, einen jüdischen Staat zu gründen, geht schon bis ins späte 19. Jahrhundert zurück. 1948 ist es endlich erfolgreich. Der Kampf der zionistischen Bewegung um einen jüdischen Staat scheint zunächst gewonnen. Unter dem Eindruck der Shoah war Linken in Westdeutschland zunächst klar, dass dieser Staat unterstützt werden muss. Das ändert sich mit dem Sechs-Tage-Krieg. 1967 war Israel von feindlichen Mächten umgeben. Alle Nachbarstaaten hatten das klare Ziel, den jüdischen Staat zu vernichten. Israel entschloss sich angesichts der wachsenden Bedrohung zum Präventivschlag – und siegte innerhalb von sechs Tagen gegen alle seine Nachbarstaaten. Israel gewann die Kontrolle über verschiedene Grenzgebiete und den Gazastreifen. Die drohende Vernichtung des jüdischen Staates war abgewendet.

Aber mit diesem Krieg wandelte sich auch die Stimmung innerhalb der westdeutschen Linken. Statt der Solidarität mit den Opfern des deutschen Vernichtungswahns, wurden zusehends die Palästinenser als Unterdrückte gesehen. Die westdeutsche Linke entdeckte den Antizionismus. Einer seiner vielen fürchterlichen Höhepunkte: Deutsche Terroristen, die bei einer Flugzeugentführung jüdische Passagiere von den anderen trennten. Und nur die jüdischen nicht freiließen. Woher kam dieser antisemitische Antizionismus?

Die Linke sah sich als antiimperialistisch. In diesem Weltbild gibt es ein klares Gegenüber von Gut und Böse. Böse, das waren die imperialistischen Großmächte des Westens. Gut, das waren die unterdrückten Völker. Dieser klare Gegensatz ersetzt jegliche Kritik am Funktionszusammenhang des Kapitalismus. Für die antiimperialistische Linke war nicht das System für das Elend verantwortlich, sondern das Handeln der Herrschenden, der Eliten. Und wo von Eliten als Ursache des Elends geredet wird, da ist der Judenhass bekanntlich eh nicht weit.

Und schließlich, nach einer kurzen Phase der Solidarität mit Israel, geplagt vom schlechten Gewissen über die eigenen Verbrechen, wandelte sich die Stimmung bis hin zum eliminatorischen Hass auf den Staat der Juden. Die Israelis handelten ab dem Sechs-Tage-Krieg nicht mehr eindeutig als Opfer, als Unterdrückte. Vielmehr begannen sie spätestens jetzt, Palästinenser zu unterdrücken. Und da das antiimperialistische Weltbild nunmal kein evil-good oder lawful-bad kennt, rutschte Israel aus der Liga der Guten ins Lager der Bösen ab. Israel wurde Sinnbild für den Imperialismus und den Westen. Blöder Antiimperialismus vermischte sich mit traditionellem deutschen Antisemitismus. Das “gute”, weil gegen die imperialistische Unterdrückung kämpfende palästinensische Volk, wurde den “bösen” Israelis, also Juden, gegenübergestellt. Und der Staat Israel so vom Selbstverteidigungsprojekt zum Hindernis im Kampf um die Befreiung der Menschheit von den bösen Mächten des Imperialismus.

Die Rhetorik antiimperialistischer Gruppen erscheint revolutionär und stellt die Solidarität mit „den Unterdrückten“ in den Mittelpunkt, bietet letztlich damit aber einen Anknüpfungspunkt für antisemitisches Denken. Und spätestens dann, wenn Juden persönlich für Handlungen des Staates Israel verantwortlich gemacht werden, ist der Grundstein für antisemitischen Terror gelegt. Größtenteils geht dieser von rechten und islamistischen Gruppierungen aus, doch vor allem in den 70ern und 80ern gab es eine ganze Reihe antisemitisch motivierter Anschläge durch deutsche Linke – das darf nie wieder passieren und es ist unsere Aufgabe, es zu verhindern.

Ganz abgesehen davon also, dass wir Antisemitismus natürlich moralisch verurteilen, ist er auch antiemanzipatorisch. Der Ideologie von Herrschenden und Unterdrückten, vom Volkskampf gegen die Elite, können nur Rechte etwas abgewinnen. Für die kommunistische Bewegung bietet sie keinen Mehrwert, sie ist eine Gefahr, die wir bekämpfen müssen.

  • 25.02.2023 / Zwickau / Femizide stoppen – In Gedenken an Nadera

    Am 25.02.2023 fand in Zwickau eine Kundgebung in Gedenken an die Anfang Februar von ihrem Ehemann ermordete, 33-jährige Nadera statt. Wir hielten einen Redebeitrag zu den Hintergründen männlicher Überlegenheitsphantasien und männlicher Gewalt gegen Frauen. Die Kundgebung wurde organisiert vom Haus der Frauen e.V. in Zusammenarbeit mit DaMigra.

Wir stehen heute hier zusammen, weil wieder eine Frau von ihrem Ehemann ermordet wurde. Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts nennen wir Femizid. Diese sind patriarchale Normalität. Jeden Tag versucht ein Mann in Deutschland eine Frau zu töten, jeden zweiten bis dritten Tag gelingt es. Es ist kein unglücklicher Einzellfall und kein vermeintliches Beziehungs- oder Eifersuchtsdrama, wie Femizide sexistischer Weise leider viel zu oft verharmlost werden. Um Femizide zu verstehen, müssen wir uns anschauen, aus welchem Grund Männer Frauen töten.

Von klein auf wird Jungen in dieser Gesellschaft vermittelt, dass sie Frauen nicht nur überlegen sind und das auch zu sein haben, sondern auch, dass es Teil der weiblichen Geschlechterrolle ist, ihnen zur Verfügung zu stehen. Also, dass Frauen sich kümmern und sie umsorgen. In der Folge verinnerlichen Jungen und Männer eine Dominanz- und Anspruchshaltung gegenüber Frauen und machen sie verantwortlich für die Befriedigung ihrer Bedürfnisse – und nur dafür. Männlichkeit in modernen patriarchalen Kulturen bedeutet kurzum, sich prinzipiell als das überlegene Geschlecht zu definieren.

Ebenso mit Männlichkeit fest verbunden, ist das Ideal männlicher Autonomie, also Unabhängigkeit.
Durch die Selbstbestimmung der Frau, insbesondere im Bereich der Sexualität, wird dieser männliche Autonomieanspruch angezweifelt. So wird dem Mann durch seine eigene Sexualität seine eben doch vorhandene Abhängigkeit von der Frau vor Augen geführt. Da er jedoch gelernt hat, Frauen gegenüber überlegen und grundlegend unabhängig zu sein und diesem Anspruch nun nicht gerecht wird, verspürt er in der Folge eigentlich eine Verachtung für sich selbst, die er aber schließlich auf die Frau überträgt.

Die weibliche Sexualität stellt für Männer eine Bedrohung dar, da diese ihnen nicht beliebig zur Verfügung steht, sondern Frauen selbstbestimmt darüber entscheiden können. Männer wollen unabhängig sein und haben verinnerlicht, über Frauen verfügen zu können und zu dürfen. Frauen müssen aber ihren vermeintlichen Rollenerwartungen nicht nachkommen, können also ihre Zuneigung verwehren.
Diese Ablehnung, also die Kränkung des Männlichen Überlegenheits- und Dominanzsanspruchs, ist einer der relevantesten Ursprünge von sexueller aber auch nicht-sexueller männlicher Gewalt. Sie dient als Mittel, die beschädigte Männlichkeit wiederherzustellen. Aggressives und gewalttätiges Verhalten von Männern ist unmittelbar im Zusammenhang zur männlichen Sozialisation und der in
diesem Zuge verinnerlichten Entwertung des Weiblichen zu betrachten.

Männer in dieser Gesellschaft müssen dem Druck standhalten, sich nicht nur von allem Weiblichen abzuspalten, sich als das überlegene Geschlecht zu setzen, sondern im Zweifel diese Überlegenheit durch Gewalt an Frauen auch unter Beweis zu stellen. Und die letzte und mörderischste Konsequenz suchen Männer in der absoluten Negation weiblicher Selbstbestimmung, also deren Auslöschung im Femizid.
Denn Männer töten meist dann, wenn Frauen ihren vermeintlichen Pflichten ihnen gegenüber nicht nachkommen und die an sie gestellten weiblichen Rollenerwartungen nicht erfüllen. Es ist also auch kein Zufall, dass Frauen insbesondere von ihren (Ex-)Partnern getötet werden.

Wenn wir diese gesellschaftlichen Verhältnisse und ihre Männlichkeit nicht überwinden, also Femiziden nicht ihre gesellschaftliche Grundlagen entziehen, endet auch der mörderische Hass auf Weiblichkeit nicht, sondern produziert weiter alltägliche Gewalt.

Gegen diese Gesellschaft und ihre Männlichkeit! Sexismus tötet! Alerta Feminista!

Permalink

Die Kundgebung wurde organisiert von Haus der Frauen (Instagramlink).

  • 12.06.2022 / Stötteritz Nazifrei / Antifa muss praktisch werden

    Am 12.06.2022 haben wir auf der Kundgebung gegen den neonazistischen Angriff Ende Mai 2022 in Stötteritz einen Redebeitrag gehalten. Es geht um die andauernde Notwendigkeit von Antifaschismus auch in der vermeintlich linken Stadt Leipzig und erst Recht über die Stadtgrenzen hinaus.

Aufruf von Stötteritz Nazifrei zur Kundgebung gegen den neonazistischen Angriff in Stötteritz mit dem Titel Antifa muss praktisch werden.

Leipzig ist Nazifrei. Das ist eine Illusion, der sich viele Linke in dieser Stadt nur zu gerne hingeben. Und ein Bild, dass von Aussen häufig auf die Stadt projiziert wird. Das weltoffene Leipzig eben, die Stadt in der die antifaschistische Bewegung die Nazis erfolgreich zurückgedrängt hat. Und das auch noch mitten in Ostdeutschland.

Dass das nicht die ganze Wahrheit ist, zeigt sich schon daran, dass wir heute auf dieser Kundgebung stehen. In den Szenekiezen und studentisch geprägten Vierteln mag die rechte Szene aus der Öffentlichkeit verdrängt sein, aber egal ob Innenstadt oder Randbezirke: Rechte Kneipen, Tattooläden und Übergriffe gibt es fast überall in dieser Stadt. Da wäre z.b. die Große Fleischergasse 4 direkt bei den Höfen am Brühl. Hier finden sich Geschäftsräume der Leipziger Rechten direkt neben einer von den Hells Angeles betriebenen Tabledancebar. Kein Zufall, die sogenannte Leipziger Mischszene ist schon lange keine Neuheit mehr. Es gibt sie auch hier in Stötteritz, wo sich Rocker, organisierte Kriminalität und Faschos im Gym zum Kampfsport und in der Kneipe zum Trinken treffen. Vor ein paar Tagen wurde dazu auch ein Outing bei Inventati veröffentlicht.

Neben rechts dominierten Kampfsportgyms gibt es die neonazistischen Burschenschaften im Leipziger Norden, rassistische Kneipen wie die Südstaatenkneipe Old Rebel im Leipziger Weste oder das wichtige Verschwörungsideologische Medienportal NuoViso in der Leipziger Südvorstadt. Um nur einige wenige Beispiele zu nennen.

Ihr seht: Leipzig ist nicht die nazifreie Hochburg für die sie viele halten. Dass die Kräfteverhältnis hier besser sind als in Zwönitz, Bautzen oder Zwickau haben wir aber keinem Zufall zu verdanken. Es ist das Produkt jahrzehntelanger antifaschistischer Kämpfe in dieser Stadt. Darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. Wir müssen uns rechter Raumnahme wieder entschlossen entgegenstellen, ob in Stötteritz oder Zschocher, genau so wie in Zwickau, Borna oder einer anderen beliebigen sächsischen Kleinstadt.

Beschäftigt euch mit den rechten Orten in eurer Umgebung. Lasst Nazis nicht in Ruhe ihr Ding machen, sondern zerrt sie an die Öffentlichkeit, wie heute durch diese Kundgebung. Organisiert euch in Gruppen und vernetzt euch mit anderen, ob in Connewitz, Stötteritz oder Grimma. Und vor allem, schauen wir wieder über Leipzigs Stadtgrenzen hinaus und lasst uns wieder eine Unterstützung sein für die Genoss*innen im sächsischen Wasteland.

Antifa auch außerhalb der Wohlfühlkieze. Gegen Deutschland und seine Nazis. Keine Ruhe der schweigenden Mehrheit.

Zum Abschluss möchten wir den Betroffenen des Naziangriffs gute Genesung und ein stärkendes Umfeld wünschen.

Permalink

Die Kundgebung wurde organisiert von Stötteritz Nazifrei.